https://www.jagdverband.de/sites/default/files/2023-01/2023-01_DJV_Broschuere_Handlungsempfehlungen.pdf
REHE RICHTIG ANSPRECHEN
Wenn zum Monatswechsel März-April die ersten warmen Tage das Grün sprießen lassen, kommt Bewegung in unser Rehwild. Schon nach wenigen Tagen lösen sich die Sprünge, zu denen sich das Rehwild in der vegetationsarmen Zeit zusammengeschlossen hatte, auf.
Die frische Vegetation und die Sonneneinstrahlung aktivieren die Hormone. Die alten Böcke beginnen zu fegen und sind die ersten, die die besten Standorte besetzen.
Auch die Ricken, mittlerweile sichtbar hochbeschlagen, dulden die Kitze des Vorjahres nicht mehr in ihrer Nähe und suchen geschützte Einstände für den heranwachsenden Nachwuchs.
Diese zu Schmalrehen und Jährlingen mutierenden Jungrehe ziehen nun orientierungslos durch die Flur. Der Jährling wird ständig von seinen älteren Geschlechtsgenossen herumgestoßen. Kaum hat er einen Einstand gefunden, bringen ihn die älteren Böcke auf die Läufe und er wird verjagt.
Einzig das zarte Schmalreh wird nicht nur geduldet, sondern ist bereits jetzt begehrt. Gerne sucht es nach dem Verlust der Führung durch die Ricke eine neue Führung. Was bietet sich da besser an, als sich einem alten erfahrenen Bock anzuschließen, schließlich weiß er, wo es lang geht.Geht es um das Ansprechen, berührt man bei den meisten Jägern eine - ja eigentlich die - jagdliche Tabuzone. Schon wenn ein Jäger mit dem Fernglas das Alter eines Rehbockes, Gams oder Hirsch aufs Jahr bestimmt.
Ansprechen muß von Ehrlichkeit und Realität getragen werden, darf sich weder in Mystik, "Wichtigtuerei" noch in reine Zweckspekulationen verlieren. Gewiß, es gibt Kriterien, die wir Jäger beachten müssen und auch können. So ist es eigentlich selbstverständlich, daß wir den Kitzen nicht die Geiß wegschießen - gerade hier erlebte ich von selbsternannten Ansprechskünstlern, gerade bei Gamswild manche Enttäuschung. Es sollte selbstverständlich - einfach logisch sein, daß wir ein erkennbar schwaches Reh schießen. Nicht selten wird sich das optisch schwache Reh nach dem Schuß aber trotz aller Ansprechskunst als stärkere erweisen.
Woran erkennen wir das Alter unserer Rehböcke? | |
JAHRLINGE: Foto aus der Jagdzeitschrift "WILD UND HUND" |
Der Muffelfleck ist eben auch nicht das typische Kennzeichen, obwohl er schon zu beachten ist. Der Fegetermin scheidet als Altersmerkmal fast völlig aus. Richtig ist nur, daß die Jährlinge meist nach dem Haarwechsel fegen und damit gut sechs bis sieben Wochen später als die älteren Böcke. Wie ist es nun mit dem Abwurftermin? Er hat auch auf den Bockabschuß keinen Einfluss mehr, es sei denn insoweit, als er die Schußzeit beendet. Trotzdem hält sich hartnäckig der durch ganze Lehrbuch Generation nachgebetete Lehrsatz:" Der alte Bock wirft zuerst ab, der junge zuletzt!" Wer nun tatsächlich wann abwirft ist schwer festzustellen. Wann immer wir ein Reh erlegen, das offensichtlich älter als ein Jahr ist und wo immer über ein erlegtes Reh diskutiert wird, der Unterkiefer wird zum Kronzeugen gemacht. An diesem Stück Knochen, besser an den in ihm steckenden Zähnen hängen wir jedes Urteil auf. Fast jedes Jungjägerlehrbuch und wohl die meisten bisher über Rehwild erschienenen Werke enthalten eine "Unterkiefer-Tafel". Den Zahnabschliff bekommen wir schon vor der Jägerprüfung eingebleut; wir müssen die auf dem Prüftisch liegenden Unterkiefer nach Jahren genau einordnen. | |
Ansprechmerkmale beim Rehbock und ihre Zuverlässigkeit Beim erlegten Bock wird das Alter am Abschliff der Zähne erkannt (jung, reif, alt). | |
Mit einiger Sicherheit sagt uns der Unterkiefer nur bis zum 20.Lebensmonat das Alter an. So um die Weihnachtszeit des zweiten Lebensjahres wird es schon etwas unsicher. Eine sichere Altersbestimmung beziehungsweise Unterscheidung zwischen Rehen im dritten und vierten Lebensjahr ist nicht möglich. Denn die Abnützung der Zähne ist auch vielfach den unterschiedlichen Boden- und Äsungsverhältnissen, Gesundheitszustand und Veranlagung zurückzuführen. |
Bezeichnung der Altermerkmale |
Lebensjahr |
Kitz Bockkitz oder Rickenkitz |
1. Lebensjahr Jährlingsbock oder Schmalreh |
Körperbau: Träger dünn und lang, wird hoch getragen, Haupt schmal, Gesicht schlicht braun, der Bock wirkt hochläufig. Verfärben: verfärbt im Frühjahr als erster, ist also als erster rot. Hauptschmuck: das Geweih wird sehr spät geschoben und meist erst im Juni gefegt. Verhalten: unvorsichtig, unruhig und verspielt, steht noch bei der Geiß (Mutter) und bei den Geschwistern. |
2. Lebensjahr 2 jähriger Bock oder zweijährige Ricke |
zwei- bis dreijährig: Körperbau: Träger bereits stärker, wird nicht mehr so hoch getragen, Vorderläufe stehen noch eng, Gesicht auffallend bunt (weißer Muffelfleck meist zweijährig, sich auflösend meist dreijährig). Der Bock ist im dritten Jahr ausgewachsen. Verfärben: im Vergleich zum Jährling sichtbar später. Hauptschmuck: das früh geschobene Geweih ist im April/Mai blank. Verhalten: steht bereits allein, ist jedoch noch relativ unvorsichtig. |
3. Lebensjahr 3 jähriger Bock oder 3 jährige Ricke |
Rehwild ist im 3 Lebensjahr voll erwachsen. |
4. Lebensjahr |
vier- und fünfjährig: Erwachsene Böcke werden, wenn keine nähere Altersangabe gegeben wird, einfach als Bock, weibliche Stücke Geiß oder Ricke, auch Altreh, Altgeiß bezeichnet. Eine führende Muttergeiß wird auch als Kitzgeiß bezeichnet. Körperbau: Träger stark und wird fast waagrecht getragen, Körper wirkt gedrungen, die Vorderläufe stehen breit; er hat einen Vorschlag. Verfärben: verfärbt spät und ist Anfang Juni noch grau. Hauptschmuck: Geweih bereits Ende Oktober abgeworfen, schiebt daher früh und ist Anfang April bereits blank. Verhalten: mißtrauisch und vorsichtig, duldet keine jüngeren Böcke neben sich und vertreibt sie. Er tritt erst spät aus seinem Tageseinstand aus. |
Rehe können etwa 12 bis 16 Jahre alt werden |
Rehwild kommt bei uns von der Küste bis ins Hochgebirge praktisch überall vor. Obwohl es als so genannter Konzentratselektierer besondere Anforderungen an die Äsung (Nahrung) stellt, ist es doch so anpassungsfähig, dass es sich flächendeckend verbreiten und zu unserer häufigsten Schalenwildart entwickeln konnte. Als Lebensraum bevorzugt Rehwild Mischwaldbestände mit reicher Strauchflora, abwechselnd mit Lichtungen, Feldern und Wiesen. In Gegenden ohne Wald leben die sog.Feldrehe, deren Lebensraum und Einstand das offene Feld ist. Sie haben sich den gegebenen Umständen angepaßt und stehen Tag und Nacht auf den Feldern, dabei nutzen sie geschickt jede kleine Deckung aus. Sie nehmen Bewegungen im allgemeinen noch eher wahr als Rehe, deren Lebensraum die Wälder sind. Feldrehböcke haben durch die reichliche, kalkhaltige Äsung in der Regel überdurchschnittlich starke Gehörne und neigen zur Frühreife.
Aussehen: Der Körperbau des Rehwildes ist seiner Lebensweise gut angepasst und so bezeichnet man das Rehwild auch als Schlüpfer. Es ist so in der Lage jede Deckung in unterholzreichen Lebensräumen zu nutzen. Im weiten Durchschnitt sind zweijährige Böcke 112 cm lang, 66 cm hoch und weisen ein Lebendgewicht von 23 Kilogramm auf. Für die weiblichen Stücke gilt das selbe, allerdings sind sie im Durchschnitt 2 Kilo leichter, bringen es also nur auf 21 Kilogramm. Je nach Äsung, Jahreszeiten und Verhalten ist auch das Gewicht und der Körperbau es Rehwildes unterschiedlich. Bei einer Rückenhöhe bis 75 cm hat das Reh eine zierliche Gestalt und hohe Beine ("Läufe") mit schmalen, scharfrandigen Hufen ("Schalen"). Besonders auffällig beim Rehwild ist der so genannte Spiegel. Hierbei handelt es um einen ausgedehnten weißen Fleck auf dem "Hinterteil". Der Spiegel ist in seiner Form geschlechtsspezifisch. So weist er beim weiblichen Rehwild eine herzförmige Form mit einem herabhängendem Haarbüschel, der so genannten Schürze auf, beim Männlichen hingegen ist er nierenförmig und hat keine Schürze. Auch der Spiegel unterliegt beim Haarwechsel einer Farbänderung. So ist er im Sommerhaar rötlich-gelb und klein, im Winterhaar aber hebt er sich durch fast strahlendes Weiß von der übrigen Färbung ab und ist größer als im Sommer. Die Böcke hingegen beginnen ab dem Frühjahr ein ausgeprägtes territoriales Verhalten zu zeigen, indem sie sich auf die Suche nach einem eigenen Einstandsgebiet begeben. Von nun an beginnen auch die Einstandskämpfe, die im Sommer ihren Höhepunkt erreichen. Bei diesen Einstandskämpfen entscheidet in der Regel weniger die körperliche Konstitution als das Alter. So kann man fast immer davon ausgehen, daß der Flüchtende zdes Rehwildes stark von seinem Lebensraum beeinflusst. So bilden Rehe, die ausschließlich auf Feldern leben größere Gemeinschaften, so genannte Sprünge, die Ihnen mehr Schutz gewähren. Dieses Rehwild hat sein Verhalten bereits soweit an den eigentlich atypischen Lebensraum angepasst, daß man von Feldrehen spricht.Der bevorzugte oder vielleicht auch natürliche, im Sinne von ursprünglichem Lebensraum besteht aus Wald und Feld. Bevorzugt hält sich das Rehwild dort an der Wald-/ Feldgrenze auf. Vom Beginn des Sommers an steht es in solchen Revieren in den Feldern und ungemähten Wiesen und zieht sich erst nach der Ernte in den nun mehr Deckung bietenden Wald zurück. Je härter die Winter werden, umso mehr neigt das Rehwild auch in solchen Revieren zur Bildung von Sprüngen (Rudeln), wobei es zu keiner Trennung nach Alter oder Geschlecht kommt. Erst mit Einsetzen des Frühlings kommt es dann wieder zur Auflösung derlei Lebensgemeinschaften. Die beste Beobachtungszeit des Rehwildes ist das Frühjahr.
Rehe können 12 bis 16 Jahre alt werden